Wort auf den Weg
«Mein Leben beginnt jeden Morgen neu und endet jeden Abend; Pläne und Absichten darüber hinaus habe ich keine; das heisst, es kann natürlich zum Tagewerk gehören vorauszudenken, aber eine Sorge für den kommenden Tag darf es nie sein.» Edith Stein
Das schlichte Zitat trifft bei mir einen Nerv. Ja, so sollte es sein: Jeder Tag ein Neuanfang, der mich dazu einlädt, im Jetzt zu leben, mich dem «Tagewerk» (was für ein sinniges Wort!) hinzugeben und es am Abend in Ruhe wieder niederzulegen. Es für heute gut sein lassen.
Nur leider schaffe ich es viel zu selten, dieses Geschenk des Neuanfangs anzunehmen. In meinem Kopf schwirren die Gedanken manchmal pausenlos. Sie grübeln dem Gestern nach und schweifen ins Morgen. Sie hinterfragen, zweifeln, wägen ab, suchen Ablenkung. Sie sind überall, nur nicht im Jetzt.
Ich denke, auch Edith Stein gelang es nicht immer, sich so vertrauensvoll dem Moment zuzuwenden. Ihr wurde als Frau und Jüdin schon in jungen Jahren vieles verwehrt. Doch vielleicht hat sie gerade daraus gelernt, jeden Tag für sich zu nehmen? Das Zitat stammt aus einem Brief, den sie als 37-Jährige schrieb.
Edith Stein war Jüdin, Christin, Atheistin, Philosophin, Frauenrechtlerin, Intellektuelle und Ordensfrau. Eine Brückenbauerin zwischen Religionen und Welten. Mit 52 Jahren wurde sie im Holocaust verfolgt und ermordet. Ihre Schriften sind uns zum Glück erhalten geblieben und wir dürfen von ihrer Stärke und Demut lernen.
Ursula Marti
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