Palliative Care – der Beitrag der Seelsorge im Gesundheitssystem
Standpunkt des Synodalrats (2014)
Die Begleitung von Kranken und Sterbenden beruht in der Kirche auf einer langen und bewährten Tradition. Palliative Care wird als umfassende Begleitung von unheilbar kranken Menschen verstanden, mit der Absicht, deren Lebensqualität zu verbessern. Sie umfasst medizinische Behandlungen, pflegerische Interventionen sowie psychische, soziale und spirituelle Unterstützung in der letzten Lebensphase. Letztere, Spiritual Care genannt, begleitet Menschen in ihren existenziellen, spirituellen und religiösen Bedürfnissen bis zum Tod, unter Bezugnahme auf ihre Biografie und auf das persönliche Werte- und Glaubenssystem. In diesem Sinn versteht sich Seelsorge seit jeher als Teil von Palliative Care und Spiritual Care. Sie bringt ihre spezifische Perspektive in das Gesundheitssystem und damit in die Begleitung Schwerkranker und Sterbender sowie ihrer Angehörigen ein.
Spiritualität spricht eine Dimension des Menschen an, die über das Körperliche und Messbare hinausgeht. Der Mensch ist mehr als nur Materie. Seelsorge anerkennt die Eigenverantwortung der kranken und sterbenden Menschen und ihres Umfelds. Sie achtet ihren Umgang mit Erfahrungen von Angst, Einsamkeit und Zweifel. Diese Menschen erwarten von Seelsorgenden eine Offenheit, die es ihnen erlaubt, sich selbst so weit zu öffnen, wie sie dazu bereit sind. Seelsorge setzt sich dafür ein, dass auch Platz ist für menschliche Not, Ängste und Verzweiflung, für unauflösbare Widersprüche und Unvollendetes, für Klage und Tränen. Dabei darf Seelsorge sich nicht unter einen Sinnfindungs- oder sogar Heilungsdruck stellen lassen. Spiritualität ist keine kontrollierbare Leistung, sondern sie befreit von überhöhten Erwartungen an das Sterben. Seelsorge orientiert sich nicht wie die Medizin an der Grundunterscheidung „gesund-krank“. Dennoch kann seelsorgerliche Begleitung gesundheitsfördernde Wirkung haben.
Spital-, Klinik- und Heimseelsorgende bewegen sich nicht nur innerhalb der Institution, sondern zwischen der Kirche und dem Gesundheitssystem. Ausserdem spielen Freiwillige in Palliative Care eine wichtige Rolle. Mit ihrer Unterstützung von Patienten, Bewohnerinnen und Angehörigen kann die Seelsorge-Dienstleistung erweitert und die Verbindung zu den Kirchgemeinden gestärkt werden. In dieser Komplexität erfordert Palliative Care gelingende Zusammenarbeit und ein optimales Management der Schnittstellen. Seelsorge innerhalb der Kirchgemeinde und zwischen Kirchgemeinden bedarf der Koordination, ebenso der Kontakt zwischen Seelsorgenden, Institutionen des Gesundheitswesens und den verschiedenen Berufsgruppen.
Die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn bringen ihre Seelsorgekompetenz aktiv in die Weiterentwicklung der Palliative-Care-Arbeit im Kirchengebiet ein. Sie behalten dabei ihre bisherigen Rollen in der Kranken- und Sterbebegleitung inner- und ausserhalb der Institutionen, mit dem Ziel, sie sichtbarer zu gestalten. Der Positionierung von Seelsorge in Palliative Care wird vermehrt Beachtung geschenkt.
Die Sterbebegleitung ist ein Proprium der Kirche. Die Kompetenzen der Seelsorgerinnen und Seelsorger können konfessionsübergreifend eingesetzt und genutzt werden.
Link: Leitsätze zu Palliative Care
Referentin des Synodalrats: Claudia Hubacher