Konzernverantwortungsinitiative
Verhelft den Armen zum Recht…
Standpunkt des Synodalrates zur Initiative «Für Verantwortungsvolle Grossunternehmen - zum Schutz von Mensch und Umwelt» (Konzernverantwortungsinitiative) (17.02.2025)
Nachdem 2020 die Konzernverantwortungsinitiative am Ständemehr gescheitert ist, wurde die Unterschriftensammlung für eine neue Konzernverantwortungsinitiative am 7.01.2025 lanciert. Bereits nach drei Wochen erreichte die Initiative die nötige Anzahl Unterschriften.
Worum es geht
Auch die Neuauflage der Konzernverantwortungsinitiative hat zum Ziel, dass Schweizer Konzerne und ihre Tochterfirmen bei ihrer Tätigkeit im Weltsüden Menschenrechte respektieren und Umweltrechte einhalten. Einige der Kritikpunkte an der ersten Konzernverantwortungsinitiative wurden aufgenommen und die Formulierung den Entwicklungen im EU-Raum angepasst.
Eine breite Koalition aus Wirtschaft, Politik und Hilfswerken unterstützt das Anliegen der Initiative. Aus kirchlicher Perspektive sind unter den unterstützenden Organisationen namentlich HEKS, Caritas, comundo, «Stop Armut» und «Jesuiten weltweit» zu nennen. Auch in den Kirchen wird die Initiative von zahlreichen Akteuren mitgetragen.
«Solidarisch mit den Leidenden»
Für die Kirche ist die Unantastbarkeit der Menschenwürde, wie sie u.a. in der Gottebenbildlichkeit des Menschen angelegt ist und in die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aufgenommen wurde, fundamental. Wo wir in unserem Handeln (gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich) diesem Grundsatz nicht gerecht werden, sind wir als Christinnen und Christen aufgefordert, Stellung zu beziehen. Darüber hinaus begegnet uns in der Bibel eine klare Option Gottes für die Armen und damit verbunden der Aufruf, dem Schwachen zum Recht zu verhelfen. Die alttestamentlichen Propheten wenden sich regelmässig gegen eine Oberschicht im Lande, die sich auf Kosten der Schwachen bereichert. Der Weg Jesu, wie ihn das Neue Testament schildert, ist ein konsequenter Weg zu denen, die benachteiligt sind: Kranke, Arme, Frauen, Kinder. Den Höhepunkt dieser Linie bildet die grosse Rede des Weltenrichters, wo Jesus spricht: «Amen, ich sage euch: Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan» (Mt. 25,40).
Die reformierte Tradition hat diese biblische Linie aufgenommen. In Calvins Genf wurden Tausende von Flüchtlingen aufgenommen, in Zwinglis Zürich eine umfassende Sozialgesetzgebung eingeführt. Bei Zwingli finden wir auch eine pointierte Kritik am Söldnerwesen. Es war für den Zürcher Reformator nicht denkbar, dass ein Unterschied gemacht wird beim Umgang mit Menschen in der eigenen Stadt und in entfernten Kriegsgebieten.
Zu dieser biblisch-theologischen Tradition bekennt sich unsere Kirche, wenn sie es in ihrer Verfassung als Auftrag ihres Herrn bezeichnet, «alles Unrecht sowie jede leibliche und geistige Not und ihre Ursachen» zu bekämpfen. Und wenn sie in ihrer Vision bekräftigt: «Solidarisch mit den Leidenden».
Die Initiative nimmt wichtige Anliegen auf
Der Synodalrat sieht, dass die Konzernverantwortungsinitiative langjährige ökumenische Anliegen der Kirchen und der kirchlichen Hilfswerke aufnimmt und einen Beitrag leisten kann, um die Rechte benachteiligter Menschen in den Ländern des Südens zu schützen. Er verbindet damit keinen Generalverdacht gegen die Tätigkeit von Schweizer Konzernen im Ausland; er ist sich bewusst, dass die Mehrheit von ihnen fair wirtschaften. Was die Initiative erreichen könnte, sind «gleichlange Spiesse» zwischen denjenigen Firmen, die ihre Verantwortung wahrnehmen, und solchen, die dies um der Gewinnmaximierung willen nicht tun. Eine allgemeinverbindliche Regelung von Standards wirtschaftlichen Handelns liegt deshalb gerade im Interesse von verantwortungsbewussten Unternehmen.
Ein Beitrag zur Diskussion
Es ist erfreulich, dass das Thema Konzernverantwortung immer wieder breit diskutiert wird. Ein Standpunkt des Synodalrats versteht sich als Beitrag zu dieser Diskussion. Dabei ist es für den Synodalrat selbstverständlich, dass es in unserer offenen Volkskirche Platz hat für unterschiedliche Auffassungen, auch in politischer Hinsicht. Niemandem darf das Christsein aufgrund der eigenen Meinung abgesprochen werden, gerade die Kirche kann und darf das nicht tun. Aber sie ermuntert zu einer aktiven Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen auf der Basis eines kritischen Blicks auf die Welt, in der wir leben, und auf der Basis der eigenen Auseinandersetzung mit den biblisch - theologischen Grundlagen.
Stellungnahme Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz, EKS